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Überarbeiteter Text |
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97.
(Jetzt
Karlsruhe, BLB, Don. 97)
Pergamenthandschrift
des XIV. Jahrh. (1336), 320 Blätter in gr. 2°. Holzdeckel mit braunem
Lederband. Schrift in doppelten Spalten.
Wolfram's
von Eschenbach Parzival, mit einer Fortsetzung und Ergänzung nach dem
französischen Gedicht des Manessier durch Claus Wysse und Philipp Kolin von
Strassburg.
Diese
merkwürdige, in ihrer unversehrten Vollständigkeit Zeugnis für
die Ausdauer der Verfasser wie der Schreiber ablegende Handschrift ist
ausführlich beschrieben von Uhland in Schreiber's Taschenbuch für
Geschichte und Alterthum in Süddeutschland (II), 1840, S. 259 ff.
Nachdem
Wolfram's von Eschenbach Parzivaltext bis Zeile 21930 (Bl.
115a, Sp. 2)
Men
horte sin reise des morgens clagen Do er dannan schiet do begvnd es
tagen
(Lachmann
p. 345) fortgeführt ist, folgt eine roth geschriebene Prosanotiz von dem
weitern Verlauf von Gawein's Zorne wider König Artus.
Hierauf
BL 115b, Sp. l, Z. 4 v. o.:
Nv
geswigen wir kvnig artuses hie. vnd sagent von hern Gawane. wie der zvom ersten
mole zvome Gröle kam. Vnd ist ovch daz von welsche zvo tüzsche braht.
Des sin me ist danne der tüzsche parzefal, der nv lange getihtet ist. Vnd
alles daz hie nach geschriben stat. das ist ovch parzefal. Vnd ist von welsche
zvo tüzsche braht. vnd volletihtet« vnd zvo ende braht. Dis
geschach
do
men zalte von gocz gebúrte, drize hundert ior. vnd driszig ior, in deme
sehsten iore.
Zur
Ausfüllung des noch übrigen Theils der Blattseite sind die von U h la
n d a. a. 0. pag. 261—63 mitgetheilten, zum Parzival in keiner Beziehung
stehenden Strophen von Minne-liedern eingeschoben, die letzte steht auf Bl.
320b, Sp. 1.
Von
Blatt 116—317 folgt sodann der nuwe parzefal, der jedoch nach den vielen
eingeschalteten Abenteuern und wilden Mären wieder zu dem Wolfram'schen
Texte zurückkehrt und auf Blatt
317b mit dessen Schlüsse
endigt. Der Umarbeiter knüpft hieran die weitere Erläuterung:
Diz
het gerimet her wolfram
Von
Eschenbach als er ez vernam
Von
eins welschen meisters munt
Der
tet ime den vrsprung kunt
Von
parzefales kintheit
So
verre ez her wolfram in tuschen seit
Daz
het ime meister cristian
In
welschen rimen kvnt getan
Nv
got ez erst in den berg
Von
parzefale waz er heildez werg
Vnd
sine geselleschaft worhten
Die
helde vnrevorhten
Der
auentúre ist michels me
Denne
ez in tützsche geschriben ste
Daz
het maneschier gar bedoht
Vnde
allez zvo eime ende broht
In
welsch wan er waz ovch ein franczeis
Wise
vnd dar zvo kvrteiz
In
alleme frangriche
Lebete
nvt sin gliche
An
tihtenden sinnen
Von
manheit vnd von minnen Het er getihtet in welsch so wol Daz man in iemer loben
sol
Nv
ist ez kommen in tüzsche lant An eins werden herren hant Der grosze kost
het dran geleit Als vnz ein cluger goltsmit seit Von strasburg philippez colin
Der het diz buch dem herren sin Von welsch in tützsch gerimet u. s.
w.
Bl.
317b unten:
Hie
het der alte parzifal vnd der nvwe ein ende vnd waz rede hie noch
geschriben stat daz het pfilippes kolin gemäht (auf BL 318—20): eine
Art von poetischem Nachwort Philipp Kolin's zu Lob und Preis Herrn
Ulrichs von Rappoltstein, auf dessen Geheiss und Kosten die ganze Arbeit
gefertigt wurde. “Frau Minne" und “Frau Milte" werden
eingeführt, wie sie in einem Minne-brieflein den “Rappoltsteiner"
auffordern, das welsche Buch vom König Artus “zu teutsch machen zu
lassen" :
Bl.
319a, Sp. 2, Z. 27
v. o.:
Minne
sprach ich gebüte dir volrich Bi demme gewalte den ich han Oder ich tun
dich in minnen ban Heiz diz buch bereiten Wir moegent mit me beiten Wan ez sol
vnser bilder sin Minner vnd minnerin Moegent hie noch bilden sich Vnd lernen
leben edellich Wir selber bessernt vnz do bi Nein minne sprach der herre
fri
Tu
mich in dinen ban niht
Ich
leiste din gebot di riht u. s. w.,
und
er sendet nach Philipp Kolin, dass dieser werde sein “tihtere". —
Die Handschrift kommt nun durch das Zusammenwirken mehrerer im Zeitraum von
fünf Jahren zu Stande. Neben Kolin ist als Dichter noch Claus Wisse mit
Umreimen des französischen Textes beschäftigt.
Bl.
319b, Sp. l, Z. 10 v. o.:
Vnde
ein anderen tihtere
Der
tihtete disen anevang
Men
sol ez imme gerne sagen dang
Wan
er ist ein tihter clug
Vnd
kan darzvo guten gefug
Er
ist genant clawez wisze
Ich
wünsche imme daz er slisze
Sine
tage sunder swere
Als
ein cluger minnere
Beide
“Dichter" aber scheinen der französischen Sprache nicht sehr
mächtig gewesen zu sein, desshalb ward der Jude Samson Pine als Dolmetsch
beigezogen :
Ibid. Z.
15 v. u.:
Ein
Jude ist sampson pine genant Der het sine zit ovch wol bewant An dirre ouenture
Er tet vnz die sture Waz wir zvo rimen hant bereit Do het er vnz daz
túchsch geseit Von den ouenturen allen gar Ich wünsche daz er wol
geuar Als ein iude noch sinre. e . Er enbegerte anders nvt me
Die
Schreiber bezeichnen sich in fröhlicher Schlussnotiz
Bl.
320b, Sp. l, also:
Diz
sol nieman vergessen
Ob
disem buche sint fünf ior gesessen
Ze
tihtende vnd ze schriben
Hie
sol ein ende bliben
Henselin
schriber het ovch vil geschriben heran
Vnd
wil noch nü ein ende han
Er
gewan noch nie bart
Vnd
ist ovch den vinen vroewelin zart
Der
von Onhein ist ein rehter tore
Er
trüget die vrowen mit sime growen hore
Nach
der unverkennbaren Verschiedenheit der Züge der Handschrift ist anzunehmen,
dass der “von Onheim" des jungen Henselin Schreibgenosse war.
Zu
bemerken sind die vielen sorgsamen Correcturen des Textes mittelst eingeklebter
Pergamentstreifchen, z. B. Blatt 242, Sp. L
Kolin
kann nicht umhin, beim Rückblicke auf die viele Zeit und Arbeitskraft, die
auf dieses Parzivalwerk verwendet wor-den, zu erwähnen, dass es Herrn
Ulrich von Rappoltstein schwere Kosten verursacht :
BL
319b, Sp. l, Z. 5 v. u.:
Nv
han ich rechendez gedoht Wenne diz buch wurt vollebroht Daz mag kosten zwei
hundert pfunt;
er
tröstet sich aber damit, dass ein ritterlicher Minner oft in kurzer Stunde
noch grössere Summen “an einem Ross versteche" und dass die Kosten an
ihm und seinen Gefährten wie an allen, die sich an dem Buche bilden,
“gut angelegt" seien.
Schliesslich,
da er vom Dichten zum Goldschmiedhandwerk zurückzukehren gedenkt, empfiehlt
er sich der Milde seines Schirmherrn und diesen der ewigen Gnade und
Freude.
Die
hiesige Handschrift ist die einzige dieser Art in Deutschland; eine zweite ihr
entsprechende, jedoch unvollständige (2. Bd.), besitzt nur die casanatische
Bibliothek zu Rom,
F.
H. v. d. Hagen, Briefe in die Heimath II, 304 ff. und Ad. Keller, Romvart, S.
647 ff. haben jenen “Doppelgänger" der hiesigen näher
beschrieben.
S.
auch W. L. Holland, Crestien v. Troies. Eine literaturgeschichtliche
Untersuchung, S. 223.
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Originaltext |
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