Alliiertes "Emergency" Schiffbau-Programm

"Liberty"-Schiff  Jeremiah O'Brien

Alliiertes "Emergency" Schiffbau-Programm
Als Reaktion auf die britischen Schiffsverluste schlug der amerikanische Präsident Roosevelt im August 1940 ein Bauprogramm über 200 neue Schiffe vor. Da aber die wenigen großen Schiffswerften bereits mit Verträgen für die gewaltige Erweiterung der US-Navy voll ausgelastet waren, gründete Admiral Jerry Land von der "US Martime Commission" sieben neue Werften für den Bau von Handelsschiffe. - Doch das war nur ein erster Schritt. Das deutsche OKM hat die industrielle Kapazität der Vereinigten Staaten beim Schiffbau völlig unterschätzt. Schon im Spätsommer 1942 bauten die Vereinigten Staaten schneller Schiffe, als die deutschen U-Boote sie versenkten, wie die Gegenüberstellung verdeutlicht.

Die "Ocean" & "Fort" - Schiffe
Ende 1940 trat die "British Merchant Shipbuilding Mission" an die Regierung der Vereinigten Staaten heran mit einem Auftrag über 60 Handelsschiffe und einer Gesamttonnage von 633.000 BRT, um so einen Teil der britischen Kriegsverluste zu kompensieren. Die Baukosten dafür lagen bei ca. 96 Mio. $, die bar gezahlt werden mußten ("cash and carry"). 

Der Entwurf für das benötigte Schiff basierte auf der "DORINGTON COURT", einem einfachen, geschweißten Frachtdampfer von 10.400 BRT aus den 30er Jahren, der mit Kohle gefeuert und mit einer einzigen Schraube eine Geschwindigkeit von 11 Knoten erreichte. 

Alle Schiffe dieses Bauprogramms trugen einen Namen mit dem Präfix "OCEAN". Am 17. August 1941, 10 Monate nach der Auftragserteilung und nach einer Bauzeit von nur 156 Tagen lief das erste Schiff der Reihe, die "OCEAN VANGUARD"  vom Stapel. Im November 1942 war das Bauprogramm schließlich erfüllt.

In gleicher Weise hatte sich die britische Delegation auch an die Regierung Kanadas gewandt. Ottawa erklärte sich bereit, weitere 26 Schiffe  dieses Typs zu bauen, griff aber verstärkt auf eine Bauweise mit Nieten anstatt Schweißnähten zurück. Die Briten bezeichneten die 26 Schiffe aus Kanada mit dem Präfix "FORT".

Die "Liberty" - Schiffe
Am 3. Januar 1941 verkündete der amerikanische Präsident Roosevelt ein 350 Mio. $ Schiffbauprogramm für die Vereinigten Staaten, mit dem innerhalb von 3 Jahren das Volumen der Welthandelsflotte um 50% vergrößert werden sollte. Das Programm sah Pachtverträge für 200 Schiffe bis Juli 1941 vor. 

Daraufhin unterbreitete die "United States Maritime Commission" eine Reihe von Vorschlägen zu Änderungen am Design der "OCEAN"-Schiffsklasse. Einige dienten zur Anpassung an amerikanische Standards beim Schiffbau, andere zum Ausgleich von Materialmangel, und viele davon dienten dem Ziel, die Schiffe ebenso preisgünstig wie  schnell fertig zu stellen. So entstand schließlich der neue Einheitstyp mit der Bezeichnung EC2-S-C1.

Das erste amerikanische Schiff dieser Baureihe, die "PATRICK HENRY" lief am 27.9.1941 vom Stapel. Bis Oktober 1945 wurden über 2700 Einheiten fertig gestellt. Der volkstümliche Name für diese Schiffe nach Einheitsbauweise lautete zunächst nur "Häßliches Entchen". Doch 1941, nachdem Präsident Roosevelt verkündet hatte, diese Schiffe wurden die Freiheit für Europa bringen, wurde der Name "Liberty Ship" geläufig.

Die Bauzeit schrumpfte von 6 Monaten für das erste Liberty-Schiff auf zwei Monate pro Schiff im Frühjahr 1942 und schließlich auf etwas über einen Monat. Einen spektakulären Rekord erreichte die "Robert E Peary", die am 11. November 1942 nach 4 Tagen und 15 Stunden Bauzeit vom Stapel lief. 3 Tage später übernahm sie ihre erste Ladung.

Die "Victory" - Schiffe
1943 plante die "US Maritime Commission" einer Anzahl neuer Schiffstypen in der Einheitsbauweise,  einschließlich eines schnellen Frachters. Seine technische Bezeichnung lautete EC2-S-AP1. Ausgestattet mit der Lentz Maschine, Turbinen- oder Dieselantrieb konnte das Schiff eine Geschwindigkeit von 15-17 Knoten erreichen. Der Rumpf mußte für die höhere Geschwindigkeit verstärkt werden. Im April 1944 wurde das Präfix der Kennung in VC2 geändert, und der landläufige Name lautete nun "Victory Ship".

Das erste Schiff dieser Baureihe war die "UNITED VICTORY" und lief am 28 Februar 1944 vom Stapel. Die Auslieferung der neuen Schiffe dieser Klasse lief nur langsam an. Bis Mai 1944 waren erst 15 Schiffe ausgeliefert. Doch insgesamt baute die "US Maritime Commission" 414 "VICTORY"-Frachter und 117 Marinetransporter, zusätzlich 3 zu kombinierten Truppen- und Frachttransportern konvertierte Schiffe.

Die "Sam" - Schiffe
Mit dem Präfix "SAM" bezeichnete man eine Gruppe von Schiffen des Typs EC2-S-Cl ("Liberty ships"), die nach den Bedingungen des "Defense Aid Supplemental Appropriation Act", der am 27 März 1941 vom Kongress gebilligt worden war, also auf  "lease / lend" Basis an Großbritannien ausgeliefert worden waren.

Noch eine ganze Zeit nach dem Krieg versahen diese Schiffe ihren Dienst unter britischer Flagge, und spielten eine wichtige Rolle für die Wirtschaft des Vereinten Königreichs, solange die eigene Handelsflotte noch nicht in genügendem Umfang einsatzbereit war.

Literatur zum Thema:

BZ 171:58
Wetterhahn, Armin: 
Das U.S. Standard-Schiffbauprogramm im Zweiten Weltkrieg. In: Marine-Rundschau  Jg.55 (1958) H.3, S.101-118 [Abb., Tab.]

B 5150
Sawyer, L.A. / Mitchell, W.H.
The Liberty Ships. The History of the "Emergency" Type Cargo Ships constructed in the United States during World War II. 
Newton Abbot 1970. 223 S. [Bildtafeln, Register] 

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart