Die U-Booterfolge

Das ganze Jahr 1942 brachte der U-Boot-Waffe augenscheinlich große Erfolge. Das ist auch ein Grund, weshalb Hitler nach Ablauf dieses Jahres den Befehlshaber der U-Boote anstelle von Großadmiral Raeder zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannte.

Im Herbst 1941 hatte Bletchley Park erstmals den Funkschlüssel der Kriegsmarine gebrochen und konnte dadurch erfolgreich den Geleitzugschlachten im Nordatlantik ausweichen. Ende Januar wurde für die U-Boot-Waffe ein neuer Funkschlüssel ("Triton") und eine verbesserte Schlüsselmaschine Enigma M-4 eingeführt. Mit einem Schlag schienen alle Erfolge der britischen Funkaufklärung zunichte.

Der Erfolg der neu eingeführten Schlüsselmittel aber wurde der Kriegsmarine gar nicht bewußt. Denn beim Einsatz der U-Boote vor der Ostküste Nordamerikas (Operation "Paukenschlag") im 1. Halbjahr 1942 profitierte der BdU viel mehr von der fehlenden Organisation der amerikanischen Küstenschiffahrt in Geleitzügen als von der neu gewonnenen Schlüsselsicherheit auf dem Feld der Geleitzugkämpfe (s.d. Konvois und Geleitsicherung 1942). Erst als die "glückliche Zeit" vor der amerikanischen Küste zu Ende war, wandte sich der BdU anderen Aufgaben zu.

In der 2. Jahreshälfte errang die U-Boot-Waffe tatsächlich einige mächtige Erfolge in Geleitzugkämpfen, zuerst auf den von Dönitz ungeliebten "Neben"kriegsschauplätzen im Mittelmeer (Operation "Vigorous", Operation "Pedestal") und im Nordmeer (Geleitzüge PQ.17 und PQ.18 in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe). Im Oktober 1942 wurden die Erfolge auch im Nordatlantik sichtbar (Geleitzüge SC.104, SL.125, HX.212, SC.107). Aber der Tonnagekrieg war zu dieser Zeit bereits verloren (Vergleich mit US-Schiffbau).

..... DATUM 1942
KONVOI
ANZAHL DER U-BOOTE
VERSENKTE
SCHIFFE
TONNAGE
(BRT)
.....11. Februar
ON.67
06
08
054.750
.....12. Mai
ONS.92
06
07
036.284
......4. Juli
PQ.17
09
16
102.311
......5. August
SC.94
17
11
053.421
.....10. September
ON.127
12
07
051.562
.....12. September
PQ.18
05
03
019.689
.....12. Oktober
SC.104
17
08
043.970
.....26. Oktober
HX.212
13
06
051.997
.....27. Oktober
SL.125
10
12
080.005
.....1. November
SC.107
16
15
082.817
.....15. November
ONS.144
13
06
026.321
.....27. Dezember
ONS.154
19
14
069.376
Nur Konvois ab 6 Schiffen bzw. 40.000 BRT Verlust. - ON(S)-Konvois waren Leerkonvois,
ihre Verluste beeinträchtigten also nicht die Versorgung Großbritanniens.

So gesehen kann im U-Boot-Krieg von einer Wende im Jahr 1942 keine Rede sein. Erst im Dezember 1942 gelang des der britischen Funkaufklärung, in den FunkschlüsseIkreis "Triton" einzubrechen, und dieser Umstand leitete die Wende im Mai 1943 ein.

Die "Globalisierung" des Krieges verstellte der Wehrmachtsführung den Blick für die Bedeutsamkeit jedes einzelnen Kriegsschauplatzes für sich. Von der Kriegsmarine mußten drei Aufgaben gelöst werden: Die Nachschubtransporte für die Sowjetunion im Nordmeer mussten abgeschnitten werden. Die Versorgung Großbritanniens über den Atlantik musste unterbunden werden. Der Zutritt der Alliierten ins Mittelmeer musste gestoppt werden. Erfolge an einer Stelle durften nicht als Ersatz für Erfolglosigkeit an anderen Stellen genommen werden. Die Erfolge der U-Boote allerdings übertönten die Misserfolge auf allen anderen Feldern. Und diese Misserfolg beruhten nicht auf Raeders Versagen, der die Fehler erkannte und Hitler auch vortrug, sondern auf der globalisierenden Sichtweise des Oberbefehlshabers der Wehrmacht.

Der Erfolg der U-Boote musste als Alibi für die fortschreitende Niederlage im Mittelmeer und die Erfolglosigkeit im Nordatlantik herhalten, und die Verblendung des Führers ging so weit, daß er schließlich glaubte, mit der Ernennung des BdU zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ("pars pro toto") die Probleme der Kriegsmarine zu lösen.