Beschlagnahme oder Enteignung von Schiffen im Krieg:
Die Frage nach der Rechtmäßigkeit

 

1. Das Angarienrecht

Der Verlust an Schiffsraum, der den kriegführenden wie auch neutralen Ländern insbesondere durch die U-Boot-Kriegführung entstanden ist, konnte in den ersten 2 Jahren durch Neubauten noch nicht ausgeglichen werden. Da die Abhängigkeit der kriegführenden Länder vom Welt-handel auch im Krieg erhalten blieb, und der Mangel an Transportkapazität auch durch Inanspruchnahme der vom Feind erbeuteten Schiffe nicht ausgeglichen werden konnte, sahen sich die Staaten gezwungen, ausländische Schiffe, die sich bei Ausbruch der Kampfhandlungen schutzsuchend in ihre Häfen geflüchtet hatten, zu beschlagnahmen und zur Aufrechterhaltung ihrer Wirtschaft und zur Fortsetzung des Krieges in eigene Dienste zu stellen.

Ebenso verfuhren aber auch neutrale Mächte mit der Begründung, aus Mangel an eigenem Schiffsraum, der auf vielfältige Weise durch die Kriegsumstände entstanden sei, zu solchen Maßnahmen gezwungen zu sein. Das Angarienrecht hat sich historisch mit der Entstehung des Überseehandels als Gewohnheitsrecht unter den Völkern entwickelt. Es ist das anerkannte Recht souveräner kriegführender und durch den Krieg geschädigter neutraler Staaten, dem eigenen Mangel abzuhelfen und gegen Zahlung voller Entschädigung Schiffe anderer Länder zu beschlagnahmen und für eigene Zwecke zu verwenden.

Im streng juristischen Sinne ist es falsch, von «Enteignung» zu reden, da es sich bei dem Angarienrecht um ein reines Notstandsrecht handelt, während die Enteignung gemäß Verwaltungsrecht einen vorgesehenen Eingriff in die Eigentumsordnung bezeichnet. In diesem Sinne wäre daher «Beschlagnahme» ist der einzig korrekte Begriff.

2. Das Embargo

Das Embargo hat das Ziel, fremde Schiffe am Verlassen der eigenen Hoheitsgewässer zu hindern, um auf einen anderen Staat Druck auszuüben, etwa um ihn zur Rückkehr zu einem Rechtszustand zu bewegen, wie er vor Kriegsausbruch bestand. Seinem Zweck nach kann ein Embargo die Bewilligung einer Entschädigung natürlich nicht zulassen. Allerdings wird das Embargoschiff – anders als die Angarie – auch nicht zu eigenem Vorteil beschlagnahmt und eingesetzt.

3. Das Prisenrecht

Als Prisenrecht bezeichnet man das Gewohnheitsrecht der kriegführenden Staaten, Schiffe, die zum Nutzen des gegnerischen Landes eine Blockade durchbrechen und Konterbande führen, d.h. Güter, die geeignet sind die Kriegswirtschaft des Gegners zu fördern, mitsamt ihrer Ladung entschädigungslos zu enteignen, zu übernehmen oder zu versenken. Allerdings muss eine prisenrechtliche Maßnahme in einem förmlichen Verfahren für gültig befunden werden, während die Angarie und das Embargo keiner derartigen Überprüfung unterliegt.

Im Verlaufe des 2. Weltkrieges wurden das Prisenrecht aber fast schon gewohnheitsmäßig gebrochen, sowohl von deutscher wie von alliierter Seite wurden auch Schiffe unter neutraler Flagge in der Regel warnungslos und ohne Überprüfung der Ladung versenkt.

Die Abgabe der deutschen Flotte an die Siegermächte (nach dem Potsdamer Abkommen) wurde allerdings ebenfalls im Sinne des Beuterechts als „prize of war" bezeichnet, die Alliierten sahen sich damit für ihre eigenen Kriegsverluste entschädigt und verzichteten auf weitergehende Reparationsregelungen, wie sie nach dem 1. Weltkrieg im Versailler Vertrag festgelegt worden waren.

4. Das Requisitionsrecht

Eine Requisition gründet auf dem Recht eines Landes, im Kriegsfalle die Dienste und Güter der nationalen Wirtschaft und der eigenen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen. Sie bezieht sich also – im Unterschied zur Angarie – auf Schiffe, die sich dauerhaft auf dem Territorium des Nehmerstaates, aber auch in den von ihm besetzten Gebieten befinden. Bei Requisition ist eine Entschädigung grundsätzlich nicht für die Nutzung, sondern nur im Verlustfall zu leisten.

Allerdings ist das Recht zur Requisition in besetzten Gebieten nicht unumstritten. Um Entschädigungsansprüchen zu entgehen, werden die bei Besetzung eines Landes «erbeuteten» Schiffe daher oftmals unter Reederei des nationalen Eigentümers und mit einheimischer Mannschaft zu Transportleistungen für die Besatzungsmacht gezwungen, widrigenfalls droht Beschlagnahme nach dem Prisenrecht.

5. Literatur

Anthon-Heinrich Schröder: Das Angarienrecht. Die Beschlagnahme von Handelsschiffen im Krieg / Hrsg. von der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg, 1965. <Das geltende Seekriegsrecht in Einzeldarstellungen; Bd.4>
Signatur F 1435:4

Schlüter: Angarienrecht und amerikanische Schiffsrequisitionen. In: Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht <Berlin>, Band 11 / 1942.

Woolsey, L.H.: The taking of foreign ships in American ports. In: American Journal of International Law. Volume 35 / 1941, p.479–506

Beschlagnahme ausländischer Schiffe
in den Vereinigten Staaten von Amerika 1941
Verluste der italienischen Handelsflotte 1939-1945
Beschlagnahme - Selbstversenkung
Chronik des Seekrieges 1939-1945