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Girolamo Savonarola (1452-1498) in der Württembergischen Landesbibliothek

Savonarolas Schriften, und wie sie nach Württemberg kamen

Girolamo Savonarola, Bußprediger in Florenz

Der 1452 in Ferrara geborene Girolamo Savonarola trat nach dem Studium der Artes liberales und der Medizin 1475 in den Konvent der Dominikaner ( auch ,Prediger" genannt) in Bologna ein. 1479 veranlasste ihn der Orden zum Studium der Theologie, wonach er nach ersten Predigterfolgen 1491 Prior von San Marco in Florenz wurde. Die Karriere des Bußpredigers begann. Nach dem Tod des Fürsten Lorenzo de'Medici 1492 und der Vertreibung der Medici 1494 aus Florenz durch Karl VIII. von Frankreich versuchte Savonarola eine theokratische Gesellschaft in Florenz zu errichten. In Predigten und Pamphleten geißelte er die Verschwendungssucht des Adels, schonte aber auch nicht die Kirchenoberen, ja auch nicht den Papst, dessen rechtmäßige Wahl er anzweifelte. Daraufhin exkommunizierte ihn 1497 der Renaissance-Papst Alexander VI. Bis zum Frühjahr 1498 konnte er sich dank der Unterstützung von Freunden im Amt des Priors halten, wurde dann aber im April 1498 verhaftet, wegen Häresie und Missachtung des Predigtverbots angeklagt und zum Tod verurteilt. Am 23. Mai wurde Savonarola öffentlich gehängt und dann - wie es zur Läuterung eines Ketzers notwendig erachtet wurde - auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Savonarolas Schriften

Zwischen 1492 und 1498 publizierte Savonarola eine beträchtliche Zahl kleinerer Schriften, dogmatische Abhandlungen, Predigten und Pamphlete, die dank der inzwischen zur Normalität gewordenen Buchdruckerkunst sogleich in die Presse kamen und über die Grenzen hinaus Verbreitung fanden. Savonarola war einer der erfolgreichsten Gegenwartsautoren seiner Zeit und wirkte mit der konsequenten Nutzung des neuen Mediums Buchdruck zukunftsweisend für die sich anbahnende Reformation in Deutschland und Europa. Neben Savonarolas Texten finden sich in den meist im Quartformat gehaltenen und oft nur einige Blätter umfassenden Drucken qualitativ hoch stehende Holzschnitte florentinischer Herkunft, wie selbstverständlich die meisten - über 100 - seiner Werke in Florenz direkt gedruckt wurden. Die Drucker waren u.a. Bartolomeo de'Libri, Francesco Bonaccorsi, Antonio Miscomini, Lorenzo Morgiani, Johannes Petri, und nur als Verleger Piero Pacini.

Nachwirkungen

Es blieb nicht aus, dass die Werke Savonarolas im 16. Jahrhundert auf die Listen der verbotenen Bücher der Kirche kamen, zumal sie fleißig nachgedruckt wurden, Die Verbannung aus dem zugelassenen Schrifttum der Römischen Kirche jedoch führte dazu, dass insbesondere die zeitgenössischen Drucke, die sämtlich Inkunabeln sind, sehr selten wurden und auch nur schwer den direkten Zugang in öffentliche staatliche oder kirchliche Bibliotheken fanden. Luther hatte zwar 1523/24 eine Psalmenauslegung Savonarolas ("Meditatio pia et erudita Hieronymi Savonarolae, a Papa exusti, super Psalmos Miserere mei et In te Domine speravi - [deutsch]: Eyn andechige vnd kunstreyche betrachtung odder ausslegung Hieronimi Sauonarole vom Bapst verbrand vber den eyn funnfzigisten Psalm ...") herausgegeben, dennoch war die Auseinandersetzung zwischen Anhängern und Gegnern der Römischen Kirche im 16. Jahrhundert doch ungleich heftiger und wirksamer, so dass Savonarolas Schriften schon einer verhaltenen vergangenen Kritik zuzurechnen sind.

Deshalb blieb es einzelnen unkonventionellen und den "Index Librorum Prohibitorum" missachtenden oder auch aufgeklärten Bibliophilen überlassen, die Inkunabeln und frühen Nachdrucke Savonarolas zu sammeln. Erst dank deren Hilfe übernahmen dann öffentliche Bibliotheken diese geschätzten Vorleistungen. Das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert. Es gibt kaum eine große Sammlung, die nicht ihren Anfang der Initiative eines oft als Außenseiter verspotteten Privatsammlers verdanken würde.

Stuttgart wird Zuflucht für Savonarola

So setzt sich auch der Grundbestand der Württembergischen Landesbibliothek neben den damals öffentlichen Bibliotheken des Konsistoriums, des Oberrats und der Landschaft meist aus der Übernahme privater Sammlungen zusammen, wobei stellvertretend nur die Bibliothek von Joseph Uriot, der 25 000 Bände umfassende Besitz von Friedrich Wilhelm Frommann oder die beiden Bibelsammlungen von Josias Lorck und Georg Wolfgang Panzer genannt seien.

Abbé de Rulle
1786/87 erwarb Karl Eugen wertvolle Stücke des Abbé de Rulle aus Nancy. Darunter befanden sich zahlreiche italienische Handschriften und Inkunabeln mit Texten von Dante und Petrarca, Horaz und Vergil, sowie einige Sammelbände mit Savonarola-Inkunabeln.
Knapp 70 Stücke der heute über 200 Nummern zählenden Sammlung sind nachweislich aus der Provenienz Abbé de Rulle. Damit war in der später noch stark wachsenden Inkunabelsammlung der Herzoglichen Öffentlichen, und seit 1806 Königlichen Öffentlichen Bibliothek "Italien" als Schwerpunkt gesetzt.

Ginori Conti
Inzwischen sammelte in Florenz, am Ort des Geschehens, die Familie Ginori Conti ebenfalls Savonarola-Drucke und erwarb auch drei Handschriften. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts stand deren Sammlung zur Disposition. Durch geschickte Verhandlungen gelang es dank der Kenntnisse, des Eifers und des Engagements des früheren Kollegen Dr. Peter Amelung, dass die Ginori Conti-Sammlung nicht nur nach Deutschland, sondern in die Bibliothek kam, wo schon die meisten Savonarola-Inkunabeln verwahrt wurden: in die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart. Selbstverständlich hatte man sich vorher und nach diesem spektakulären Kauf stets bemüht, Einzelstücke - Handschriften und Drucke - auf dem Antiquariatsmarkt zu erwerben.

Mit 1498 hört die Druckverbreitung nicht auf

Trotz der anfänglich regionalen oder auch kaiserlichen Bücherverbotslisten, und trotz des vatikanischen "Index" kam es zu zahlreichen Nachdrucken der Werke Savonarolas. War die Württembergische Landesbibliothek schon vor 1965 im Besitz zahlreicher Drucke (und auch Handschriften) mit Texten von und zu Savonarola nach 1500 gewesen, so bescherte der Erwerb der Ginori Conti-Sammlung nochmals einen reichen Zuwachs nicht nur von Inkunabeln, sondern auch von Drucken namentlich des 16. Jahrhunderts, die aber über 30 Jahre unkatalogisiert ihr Dasein fristeten. Erst mit den Aktivitäten der letzten fünf Jahre konnte Savonarola eine angemessene Würdigung in Stuttgart erfahren. Aus dem 16. Jahrhundert besitzt die Bibliothek heute 186 Drucke, aus dem 17. noch fünfzehn, aus dem 18. Jahrhundert gerade noch einen einzigen.

Ein Anstoß von außen: das Mikrofiche-Projekt der Firma IDC

Die als einer der größten Verleger von Mikrofiche-Publikationen bekannte niederländische Firma IDC Publishers in Leiden hatte sich schon vor Jahren dafür interessiert, die Inkunabeln Savonarolas in ihr Mikrofiche-Programm aufzunehmen. Nach längeren Verhandlungen kam man endlich im Jahr 2003 zu folgendem Kompromiss:

Die Württembergische Landesbibliothek verzichtete darauf, alle Ausgaben, auch die des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie die Handschriften in das Programm einzubeziehen, da nach Ansicht des Verlegers dafür weniger Kaufinteresse bestünde. Dafür verpflichtete sich die Firma sämtliche Inkunabeln des Bestandes, also auch die zweiten und dritten Exemplare ohne Unterschied, sowie alle Vorsatzblätter aufzunehmen, aus dem Grund, dass die Gestalt und Anlage von Sammelbänden in ihrer Bedeutung für die Buch- und Rezeptionsgeschichte dokumentiert bleiben sollte. Einig war man sich, die Originale nicht direkt zu verfilmen, sondern einzuscannen und von den Images dann die Mikrofiches herzustellen, um für spätere Anforderungen die Texte und Bilder sofort als Dateien parat zu haben.

Das ganze Unternehmen hätte aber nicht so reibungslos ablaufen können, wenn nicht von Seiten der Inkunabelkatalogisierung eine verlässliche Basis gelegt worden wäre. Besitzt die Württembergische Landesbibliothek mit dem zweitgrößten Inkunabelbestand Deutschlands von derzeit knapp 7100 Stücken bis heute keinen gedruckten Katalog, so ermöglicht das Online-Unternehmen INKA endlich einen öffentlichen Nachweis ihres Inkunabelbestandes. Herr Armin Renner, der Bearbeiter für die Württembergische Landesbibliothek, zog die Savonarola-Bestände außerhalb des zu bearbeitenden Alphabets vor und lieferte damit für die üblichen Beigaben der Mikrofiche-Edition die nötigen Titelaufnahmen und bibliographischen Referenzen, sowie die Angaben der individuellen Buchmerkmale. In Leiden wurde dann für den anglo-amerikanischen und japanischen Markt das Titelmaterial noch nach MARC konvertiert.

Dr. Peter Amelung war bereit, für das Begleitheft mit der Titelliste eine Einleitung zu verfassen. Dies ist besonders hervorzuheben, da er nicht nur Initiator der Erwerbung vor beinahe 40 Jahren gewesen ist, sondern auch als einer der intensivsten Kenner der Materie überhaupt gilt.

Im Herbst 2003 installierte IDC im Lesesaal Alte Drucke eine Spezialkamera mit PC. Die Bilder wurden von der Fotografin Caroline Waterloo vorsorglich mit 600 dpi aufgenommen.

Jetzt liegt die Edition vor. Frau Wiltrud Baumann hat nicht nur die Mikrofiche-Titel in den Südwestdeutschen Bibliotheksverbund eingegeben, sondern katalogisierte auch die restlichen Drucke aus der Ginori Conti-Erwerbung. Die chronologische Ordnung der Titel im OPAC zeigt nun, da ja Inkunabel-Faksimiles die Reihe anreichern, eine unglaubliche Dichte zum Ende des 15. Jahrhunderts. Es ist noch zu erwähnen, dass dem Bestand auch 18 Texte zugeordnet werden, die von Freunden und zeitgenössischen Gegnern Savonarolas stammen. Auch darunter befindet sich ein Unikat in Stuttgart. Überhaupt hat zum Schluss die Statistik das Wort:

Statistisches

Die Firma IDC wirbt mit "well over 200 incunabula". Genauer betrachtet handelt es sich um 212 Mikrofiche-Ausgaben, wovon 54 Zweitexemplare und 7 Drittexemplare zu beachten sind. So ergeben sich 151 verschiedene Titel. Von diesen Titeln besitzt beispielsweise die Bayerische Staatsbibliothek München "nur" 42. In der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, die den größten Savonarola-Bestand hält, sind immerhin sechs Stuttgarter Drucke nicht nachgewiesen.
Die nach dem Alphabet geordnete Liste der einzelnen Titel

Girolamo Savonarola : religious and political reformer ; the Incunable Collection of the Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart ; title list / advisor: Peter Amelung. - Leiden : IDC Publishers, [2004]. - 28 S.

dient vornehmlich den Kaufinteressenten zur Orientierung. Leider ist damit der Zusammenhang der Stücke aus den Sammelbänden nicht mehr erkennbar. Diesem Mangel kann jedoch der Nachweis in INKA abhelfen.

Spezialkataloge und Literatur in Auswahl:

Cabinet de M... L... D... [Abbé de Rulle] contenant plusieurs éditions très rares du 15. siècles et quelques-unes du 16. - [S.l.], 1786

Lucia Giovannozzi: Contributo alla bibliografia delle opere del Savonarola : edizioni dei secc. XV e XVI. - Firenze, 1953.

Paul Kristeller: Early Florentine illustrated books. - London : Kegan Paul, Trench, Trübner, 1897. - Reprint London, 1968.

Dennis E. Rhodes: Gli annali tipografici fiorentini del XV secolo. - Firenze : L. S. Olschki, l988. (Biblioteca di bibliografia italiana ; 13)

Roberto Ridolfi: Bibliografia delle opere del Savonarola / a cura del Principe Piero Ginori Conti. - Firenze : Fondazione Ginori Conti, 1939.
Vol. 1. Cronologia e bibliografia delle Prediche. Con contributi storici e filologici de Roberto Ridolfi.

Piero Scapecchi: Catalogo delle edizioni di Girolamo Savonarola (secc. XV-XVI), possedute dalla Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze. - Firenze : SISMEL, 1998.


Immanuel Gottlieb Moser: Die Sammlung der Autographen [im Sinne von originalen Druckschriften] des Hieronymus Savonarola vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts auf der Königlichen Bibliothek in Stuttgart, gegen 80, grossentheils zum ersten Male kenntlich beschriebene Nummern enthaltend enthaltend : eine beträchtliche Vervollständigung der Literatur Savonarola's bei Hain ... - In: Serapeum 3 (1842). - S. 257-266, 273-288, 297-312. Nachträge in ebenda. - S. 351-352 und 4 (1843). - S. 256.

Peter Amelung: Savonarola in Stuttgart : Carl Eugen als Büchersammler : ein Schatz der Landesbibliothek. In: Stuttgarter Zeitung, 28.01.1964. - S. 8

Peter Amelung: Un appassionato del libro italiano nel Settecento francese : l'Abate de Rulle di Nancy. - In: Studi bibliografici : atti del convegno dedicato alla storia del libro italiano ... - Bolzano, 7-8 ottobre 1965. - Firenze, 1967. - S. 95-131.

Peter Amelung: The Savonarola Collection of the Württembergische Landesbibliothek. - In: Incunabula : studies in fifteenth-century books ; presented to Lotte Hellinga / ed. by Martin Davies. - London, 1999. - S. 549-557.
Enthält u.a. die Erwerbungsgeschichte der Sammlung Ginori Conti 1968 ff.

Felix Heinzer: Manoscritti Savonaroliani a Stoccarda. - In: Memorie Domenicane : n.s. 1999, no 30. - S. 259-278.


Letzte Änderung: 18.11.2015   © 2022 WLB
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