Württembergische Landesbibliothek: Swedenborg-Sammlung

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      Johann Gottlieb Mittnacht (1831-1892)


      Johann Gottlieb Mittnacht wurde 1831 in Flacht geboren, wo zwanzig Jahre vorher Johann Friedrich Immanuel Tafels Vater, Johann Friedrich Tafel, Pfarrer gewesen war. In einigen der Gäugemeinden, so auch in Rutesheim (nordwestlich von Stuttgart) hatte Swedenborg einige Anhänger. Immanuel Tafel war in Merklingen zum Bekenner der Neuen Kirche geworden. Der streitbare und selbstbewußte Johann Gottlieb Mittnacht wurde schon früh zu Swedenborg bekehrt und focht seinen Streit mit dem Flachter Ortspfarrer aus, bis er sich entschloß, nach Amerika auszuwandern, wo er in Philadelphia eine Baumwollspinnerei erwarb und es bald zu ansehnlichem Reichtum brachte. Mit seinem Geld wirkte er energisch für die deutschsprachige neukirchliche Gemeinde. In seinem Haus hielt er Andachten ab, predigte, las aus Swedenborg und befreundete sich mit den Angehörigen der Tafel-Familie, so besonders mit dem gleichaltrigen Rudolph Leonhard Tafel.

      Was den Deutschamerikaner schließlich veranlaßte, mit 39 Jahren (schon), im Jahr 1870 nach Deutschland zurückzukehren, ist nur zu vermuten. Er selbst schreibt, er habe nach einem würdigen und fähigen Nachfolger für Immanuel Tafel gesucht, nachdem sich nach dessen Tod die neukirchliche Gemeinde aufgelöst habe. Schuld mag aber auch der inzwischen in Philadelphia ausgebrochene Streit gewesen sein, in dem es einer strengeren neukirchlichen Gruppe um die Etablierung eines Bischofsamtes und die Neukirchliche Wiedertaufe ging.
      Mittnacht nahm in dieser Frage eine liberale Haltung ein: vielleicht war doch noch ein Rest von lutherischer Erziehung in ihm, so sehr er sich später Gustav Werner gegenüber unnachgiebig und neukirchlich-orthodox gab.
      Mit Rudolph Leonhard Tafel, dem Sohn des Sprachgenies und Pfarrers der Neuen Kirche in New York, Johann Friedrich Leonhard Tafel (1800-1880) zusammen gründete Mittnacht 1872 die "Wochenschrift für die Neue Kirche", die als Ersatzpublikation den in Philadelphia erscheinenden deutschsprachigen "Boten für die Neue Kirche" ablöste, so daß auch in Deutschland ein eigenes neukirchliches Organ erschien.
      In Stuttgart betrieb Mittnacht eine "Neukirchliche Buchhandlung". Er hatte die Geschäfte des Privatiers Theodor Müllensiefen aus Rheinfelden übernommen und besaß damit das neukirchliche Informationsmonopol für den deutschsprachigen Raum. Konsequenterweise machte sich der theologische Laie, der es zu imponierenden Swedenborg-Kenntnissen gebracht hatte, an die Revision der Tafelschen Übersetzungen und verlegte die Neuauflagen selbst.
      Die Neue Kirche in Deutschland begann wieder zu florieren. Zum Streit mit dem Jugendfreund Rudolph Leonhard Tafel kam es, als dieser sich nicht nur für die Wiedertaufe aussprach und die Taufe der "Alten Kirche" für nichtig erklärte, sondern auch durch Deutschland, Österreich und die Schweiz zog und dort wirklich Mitglieder der Neuen Kirche ein zweites Mal taufte. Die gemeinsame Herausgeberschaft der "Wochenschrift" erlosch. Mittnacht begründete eine neue Zeitschrift, die "Neukirchenblätter" (1875-1883).
      Gleichzeitig betrieb Mittnacht eine äußere Organisationsform für die Neue Kirche. Noch mit Rudolph Leonhard Tafel zusammen hatte er die Statuten für eine "Deutsche Neukirchliche Gesellschaft" entworfen (1874), die 1875 in Stuttgart rechtskräftig wurden. Müllensiefen, das große Mäzen, wurde ihr erster Präsident; das geistige Oberhaupt aber blieb Mittnacht.
      Seit seiner Rückkehr aus Amerika ist zu konstatieren, daß er ein verhältnismäßig unruhiges Leben führte. Änderungen der Zeitschriftentitel, der immer größer werdende Abstand im Erscheinen der Zeitschriftenhefte, das Ausscheiden von Rudolph Leonhard Tafel aus der Redaktion der "Wochenschrift für die Neue Kirche", der mehrfache Wohnsitzwechsel (zuerst in Stuttgart, 1877 im Haus "Zum Frieden" in Zürich, 1879 in Frankfurt am Main) und der völlige Rückzug aus den Aktivitäten der Deutschen Neukirchlichen Gesellschaft 1883, das alles läßt den Rückschluß zu, daß die Neue Kirche in Deutschland und der Schweiz nicht so gedieh, wie Mittnacht es sich vorstellte und wie es sein Glaube an das bereits in der geistigen Welt verwirklichte Neue Jerusalem forderte.
      Mittnacht begab sich 1883 auf Weltreise, wohl mit dem Hintergrund, außerhalb Europas für die Verbreitung der Lehren der Neuen Kirche einzutreten. 1886 kehrte er nach Deutschland zu-rück und nahm seinen Wohnsitz in Biebrich am Rhein (heute Ortsteil von Wiesbaden), wo ihn seine Nichte Magdalene Mittnacht betreute und seine Buchhandels- und Verlagsgeschäfte führte.
      Den Nachlaß des 1892 verstorbenen Mittnacht erbte 1919 die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart über die Nichte Magdalene Mittnacht. 1926 wurden die Bücher in den Bestand der Landesbibliothek eingearbeitet.
      Die "Sammlung Mittnacht" umfaßt

        handschriftliches und archivalisches Material, heute aufbewahrt in der Handschriftenabteilung der Württembergischen Landesbibliothek, Signatur: Cod.hist.fol.944.
        eine Büchersammlung mit Werken von Swedenborg
        (ca. 300 Bände) und über Swedenborg und die Neue Kirche
        (ca. 800 Bände).
      In diesem Umfang besitzt keine Bibliothek in Deutschland Swedenborg-Literatur, weshalb diese Sondersammlung an der Württembergischen Landesbibliothek seit etwa 10 Jahren wieder besonders gepflegt wird.