Ehemals Donaueschinger Handschriften in Stuttgart


Aktualisierung des Katalogs von Karl August Barack



Einleitung und Benutzungshinweise


1993 gelang es dem Land Baden-Württemberg, in einer aufsehenerregenden Aktion die ehemals Donaueschinger Handschriften (1225 Signaturen in ca. 1370 Bänden bzw. Faszikeln) für 48 Millionen DM zu erwerben und den durch die Sotheby's-Auktion von 1982 bereits empfindlich geschmälerten Bestand vor der drohenden Zerstreuung durch Verkauf zu bewahren.

Nach der Präsentation dieser Erwerbung in Form einer Ausstellung ausgewählter Stücke in mehreren großen Bibliotheken Baden Württembergs und in der Bonner Landesvertretung1 wurde die Frage des künftigen Standorts nach längerer Diskussion 1994 im Sinne einer Aufteilung des Bestands auf die beiden Landesbibliotheken in Karlsruhe und Stuttgart entschieden, um dem regionalen Proporz der beiden Landesteile Rechnung zu tragen. Der entsprechende Beschluß der Landesregierung orientierte sich für die konkrete Durchführung der Teilung an inhaltlichen Kriterien: Da der Bestand aufgrund der zahlreichen deutschsprachigen Handschriften (u.a. ein Erbe der Interessen und Sammelschwerpunkte Joseph von Lassbergs) seit jeher eine bevorzugte Domäne der Mittelaltergermanistik gewesen war, wurde es als sinnvoll erachtet, das für die Interessen dieser Fachrichtung besonders relevante Material möglichst an einer Stelle verfügbar zu halten. Dies sollte grundsätzlich die in deutscher Sprache gehaltenen Handschriften der Zeit bis ca. 1500 (einschließlich Mischhandschriften mit deutschen Anteilen) sowie die späteren Abschriften mittelhochdeutscher Texte (eine größere Anzahl von Kopien aus dem Umkreis Joseph von Lassbergs) betreffen. Dieser Komplex wurde der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe zugewiesen, wo bereits seit längerem ein Teil des Lassbergschen Nachlasses liegt, allle übrigen Handschriften hingegen gingen an die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart. Ausnahmen von diesem Prinzip wurden nur in einigen wenigen Fällen mit ausgesprochenem Regionalbezug gemacht.2 Im Zuge dieser rein sprach- und epochenbezogenen Aufteilung wurden zahlreiche historisch gewachsene Teilprovenienzen auseinandergerissen. Dies gilt insbesondere für die Sammlung Laßbergs selbst, die auch eine Reihe lateinischer Handschriften umfaßte, oder auch für die kleine, aber hochbedeutende Handschriftengruppe aus dem Besitz der Grafen von Helfenstein, um nur gerade zwei Beispiele zu nennen.3


Für den nach Stuttgart gelangten Komplex sind diese Vorgänge von besonderer Relevanz: Während der aufgrund der erwähnten Aufteilungskriterien für Karlsruhe herausgelöste Teilbestand in sprachlicher, inhaltlicher und chronologischer Hinsicht ein vergleichsweise geschlossenes Ensemble darstellt, das sich für eine klassische Katalogisierung anbietet (ein entsprechendes, von der DFG gefördertes Projekt ist seit 1998 im Gang), stellte sich eine Neuerschließung des umfangreicheren, aber sehr viel heterogeneren Stuttgarter Anteils (956 Handschriften) erheblich problematischer dar, enthält dieser doch nebst ca. 200 mittelalterlichen, überwiegend in lateinischer Sprache geschriebener Handschriften im Gegensatz zu dem nach Karlsruhe gelangten Komplex auch einen signifikanten Anteil - ca. zwei Drittel des Bestands - an neuzeitlichem Material (auch mit zahlreichen Stücken aus dem 18. und 19. Jahrhundert), das zudem in den unterschiedlichsten Sprachen geschrieben ist. In Stuttgart ist aufgrund der Kriterien der Aufteilung naturgemäß auch ein erheblich umfangreicheres Spektrum wissenschaftlicher Fachgebiete vertreten.

Für den Hauptkomplex des ehemals Donaueschinger Bestands ist in Gestalt des 1865 erschienen Katalogs von Barack4, der für seine Zeit eine hervorragende Erschließungsleistung repräsentiert, eine erste Informationsmöglichkeit gegeben; für die umfangreiche Gruppe von ca. 320 Handschriften, die erst nach 1865 zum Bestand kamen (Neuerwerbungen, Schenkungen und Nachlässer, aus dem Archiv übernommene Einzelstücke, aus älteren Beständen herausgelöste Fragmente etc.) ist dies hingegen nicht der Fall. Für diesen Nachtragsbestand, der nebst kleineren Stücken auch so Bedeutendes wie den sog. Zimmerischen Totentanz (A III 54) enthält (in der WLB befinden sich davon jetzt ca. 250 Nummern, davon ca. 75 aus mittelalterlicher Entstehungszeit), existiert lediglich eine um 1960 in Donaueschingen erstellte, maschinenschriftliche Liste, von der die beiden Landesbibliotheken jeweils eine Kopie besitzen. Mit Ausnahme einzelner, in der Fachwissenschaft seit längerem bekannter und diskutierter Spitzenstücke muß dieser Bereich somit als der Forschung praktisch unbekannte Größe gelten.

Da eine völlige Neukatalogisierung der annähernd 1000 in die WLB gelangten Handschriften nach herkömmlichen DFG-Standards (die ca. 6 Bände und eine entsprechend lange Bearbeitungszeit erfordert hätte) im Hinblick auf den zeitlichen und finanziellen Aufwand derzeit nicht realisierbar erscheint, wurde in Absprache mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der 'Neuen Konzepte der Handschriftenerschließung'5 ein differenziertes Erschließungsprogramm entworfen. Dieses sieht zum einen vor, einen Nachweis für den 'post-Barack'schen' Nachtragsbestands (s. oben) in Form eines Kurzinventars vorzulegen (dieses ist derzeit in Bearbeitung), und zum anderen eine (im wesentlichen bibliographische) Aktualisierung der Beschreibungen des von Barack 1865 katalogisierten Hauptbestands zu leisten. Diese wird hier vorgelegt. Eine Tiefenerschließung zumindest ausgewählter Teile des Bestandes ist damit nicht grundsätzlich ausgeschlossen.


Die in elektronischer Form angebotene Aktualisierung des Barack-Katalogs

erfordert einige Vorbemerkungen:


1) Grundgerüst ist der Barack-Katalog von 1865 in gescannter Form. Die durch Hervorhebung gekennzeichneten Ergänzungen, die jeweils an den entsprechenden Stellen in die Beschreibungen eingefügt sind (durch eckige Klammern markiert!) betreffen im wesentlichen zwei Bereiche:

- die in der Zeit bis 1993 in Donaueschingen gepflegte und danach in Stuttgart fortgeführte Dokumentation neuerer Literatur zu den Handschriften

- die Einarbeitung neuer Erkenntnisse zu Provenienzfragen, Datierungen und Lokalisierungen, inhaltlichen Zuschreibung usw. (vielfach Ergebnisse der Durchsicht des Bestands bei der Einarbeitung in Stuttgart sowie der seither erfolgten Benutzung in der WLB).

Daß einsolches 'Updating' unter den gegebenen Voraussetzungen keinesfalls systematischen Charakter beanspruchen kann, sondern zu den einzelnen Handschriften durchaus unterschiedlich ausfällt, versteht sich von selbst. Die Netzpräsentation bietet allerdings grundsätzlich die Chance kontinuierlicher Ergänzung, die im Lauf der Zeit geleistet werden soll, wobei die Bibliothek hofft, hier auch durch Hinweise seitens der Benutzer (e-mail: handschriften@wlb-stuttgart.de) Unterstützung zu erfahren.

2) Die Katalogisate der nicht in der WLB Stuttgart befindlichen Handschriften werden in der Regel nicht aktualisiert (dies gilt insbesondere für den Karlsruher Bestand, für den auf den in Bearbeitung befindlichen Katalog verwiesen werden darf). Hinzugefügt wird aber wenigstens ein Hinweis auf den aktuellen Standort solcher Stücke, soweit er zu ermitteln war. Auch hier sind Ergänzungen und Berichtigungen jederzeit sehr willkommen.

3) Die abgekürzt zitierte Literatur (die meist ohnedies zum Standard der Handschriftenerschließung gehört) ist in in einer eigenen Datei [lit-list.rtf] aufgeführt.



Felix Heinzer (5.6.2002)




1 Vgl. "Unberechenbare Zinsen" - Bewahrtes Kulturgut. Katalog zur Ausstellung der vom Land Baden-Württemberg erworbenen Handschriften der Fürstlich-Fürstenbergischen Hofbibliothek, hrsg. von Felix Heinzer, Stuttgart 1993.

2 Eine Übersicht zu dieser Situation bei Felix Heinzer, Die neuen Standorte der ehemals Donaueschinger Handschriftensammlung, in: Scriptorium 49 (1995), S. 312-319.

3 Um den virtuellen Zusammenhang der Sammlung zu wahren, verfügte die Landesregierung, daß der gesamte Bestand verfilmt werden sollte, um in den beiden Landesbibliotheken in als Mikrofilm-Corpus jeweils komplett verfügbar zu sein. Diese Verfilmung ist derzeit im Gang.

4 Karl August Barack, Die Handschriften der Fürstlich-Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen, Tübingen 1865.